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Ausstellungsansicht
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Ausstellungsansicht

Die bildhauerischen Arbeiten von Chenxi Zhong sprechen eine filigrane und poetische Sprache. Die Objekte sind zwar immobil, doch mit jedem weiteren Schritt, mit der Entfaltung einer anderen Perspektive halten sie für uns mehr bereit, als sich auf den ersten Blick zeigt. Obwohl immobil, so sind sie doch nicht starr. Spielerisch werden untereinander Motive aufgegriffen und tragen sich weiter. Wir können in den Objekten einige figürliche Darstellungen erkennen - einzelne Details wie zum Beispiel ein Ohr und ein stilisiertes Gesicht, uns ganz vertraute, verwandte Formen. Drumherum gruppiert sind jedoch andere, die so einfach nicht zuzuordnen sind, jedoch auch nicht fremd. Es ist ein Spiel mit Ähnlichkeiten, in dem die verschiedenen Objekte, situiert in den Raum und mit allen, die dazu Zutritt haben, zu einem wundervollen Geflecht gesponnen werden. In seiner „Lehre vom Ähnlichen“ schreibt Walter Benjamin, dass die von uns alltäglich um uns bemerkten Ähnlichkeiten nur einen Bruchteil derer um uns herum darstellen würden. „Die mit Bewusstsein wahrgenommenen Ähnlichkeiten - z.B. in Gesichtern - sind verglichen mit den unzählig vielen unbewusst oder gar nicht gar nicht wahrgenommenen Ähnlichkeiten wie der gewaltige unterseelische Block des Eisbergs im Vergleich zur kleinen Spitze, welche man aus dem Wasser ragen sieht.“ (Walter Benjamin in „Aura und Reflexion“, 2016, S. 124).
Aufgefundenes und kaum behandelte Materialien werden drapiert und in Beziehung gesetzt zu wiederum geplanten, präzise und behutsam geformten anderen. Die verschiedenartig gestalteten Elemente verhalten sich zueinander jedoch nicht in Konkurrenz, sondern werden vielmehr in einer Geste der ineinander fließenden Übergänge aufgelöst. So dienen uns die klar erkennbaren figürlichen Darstellungen als Einstiegspunkt, bleiben jedoch nicht konstant so eindeutig und je mehr wir die Objekte in ihrer Gesamtheit wahrnehmen, desto weiter entfernt sich auch das Gesicht zum Beispiel davon, nur Gesicht oder das Ohr, nur Ohr zu sein. Die verschiedenen Elemente verhalten sich eher wie unterschiedliche Gesprächspartner, die in dem Gespräch keine festen Rollen
haben, sich durch ihre variierenden Anregungen stützen und voneinander abstoßen können, um sich zu umkreisen und sich miteinander in ihrem Austausch weiterzubewegen. Etwas weiter schreibt Benjamin zu der Ähnlichkeit: „Sie huscht vorbei, ist vielleicht wiederzugewinnen, aber kann nicht eigentlich wie andere Wahrnehmungen festgehalten werden. Sie bietet sich dem Auge ebenso flüchtig, vorübergehend wie eine Gestirnkonstellation.“ (ebenda, S. 126). So ist es ein konstantes Entstehen, was uns die Erfahrung von Ähnlichkeit vermittelt. Thematisch umkreisen die Arbeiten somit die Frage nach dem Menschlichen, welches sich zu den Objekten um sich herum immer wieder in Beziehung setzt. Ob mit den den Materialien Form gebenden Händen, der körperlichen
Präsenz neben ihnen, dem betrachtenden Blick… So offenbaren die Arbeiten eine feinfühlige Beobachtungsgabe und einen beeindruckenden Blick für Situationen und Konstruktionen dieser Begegnungen.

- Marija Petrovic 2021

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